Malerei von Claudia Eckstein-Strehlow Plattenspieler und Zubehör - Manfred Strehlow
Malerei von Claudia Eckstein-StrehlowPlattenspieler und Zubehör - Manfred Strehlow

Ausstellung - Kommunale Galerie in Schlangenbad

“Claudia Eckstein - Bilder von Bäumen”
in der Kommunalen Galerie Schlangenbad

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Freunde der Kommunalen Galerie!

 

Was ist Kunst? - Diese Frage lässt sich nicht abschließend beantworten. Kunst entsteht aus dem Bedürfnis der Menschen, sich mit dem was sie sehen, der äußeren Anschauung, und dem was sie empfinden, der inneren Anschauung auseinanderzusetzen, dies umzusetzen und zu gestalten. So ist in jedem Fall die Kunst das Gegenstück zur Natur, was ja beispielsweise ausgedrückt wird durch das Adjektivpaar “künstlich” und “natürlich”. Claudia Eckstein setzt sich im Grunde mit diesen beiden gegensätzlichen Begriffen auseinander: Sie beschäftigt sich mit Formen aus der Natur, eben mit den Stämmen von Bäumen, mit all ihren Rindenformen, Ästen, Verwachsungen, die aus jedem Baum ein Unikat, wie eine Skulptur, machen. Kein Baum in der Natur gleicht dem anderen. Claudia Eckstein hat nun einen genauen, selektiven Blick auf Bäume entwickelt und zeigt in diesen Bildern Figuren, Individuen, die sie in Bäumen gefunden hat.

 

Eines der ersten Bilder aus der Serie von Bäumen ist der vierteilige “Torso” (im Eingangsbereich dieser Ausstellung). Ursprünglich ein italienischer Olivenbaum, hatte die Künstlerin beim genaueren Hinsehen Assoziationen zu einer Figur darin erkannt, hat darin die mythologische Figur des Prometheus, erkannt, der an einen Felsen geschmiedet ist, weil er den Menschen das Geheimnis des Feuers verraten hat.

Claudia Eckstein beschäftigt sich in ihrer künstlerischen Arbeit schon seit langem mit “Metamorphosen”, mit der Umwandlung von Naturformen in menschähnliche Figuren. So sieht sie einen Baum an, und erkennt in ihm mehr als einen Baum, sie findet “Zwischenformen” in ihm. Sie zeigt dabei keine ganzen Bäume, es sind Ausschnitte von Bäumen, meist Stämme, manchmal auch Wurzelstücke, sozusagen der Bauch, in dem sie die “Seele” der Bäume vermutet.

 

Claudia Eckstein arbeitet inzwischen seit etwa vier Jahren an ihren Bäumen. Begonnen zunächst als ein Malen nach der Natur, hat sie im Laufe dieser Arbeit das Formenrepertoire der Bäume verinnerlicht, und viele dieser Bilder dann frei aus sich heraus, nach der inneren Anschauung gestaltet. So entsteht schließlich, wie übrigens schon bei früheren Arbeiten von Claudia Eckstein, ein Mikrokosmos ihrer Bäume: Beispielsweise in dem Bilderzyklus von “Paaren”, wo zwei Baumstämme miteinander Kontakt aufgenommen haben, wo es scheint, dass sie sich auf ein Wachstum miteinander eingelassen haben. Assoziationen zu Beziehungen zwischen Menschen sind erlaubt - aber es geht Claudia Eckstein nicht darum, selbst Geschichten zu erzählen, sondern sie möchte den Blick öffnen für die Geschichten, die in der Rinde der Bäume festgehalten sind, uns unverständliche Geschichten aus uralten Zeiten, die uns aber zugleich auf eine geheimnisvolle Art faszinieren.

 

Zum Beispiel die Geschichten in den “Kopfweiden”: Diese Serie von Bildern stellt reale Bäume an einem Altrheinarm in Ginsheim dar. Bäume, die früher regelmäßig zur Gewinnung von Flechtweiden beschnitten wurden, und nun, nach diesem “arbeitsreichen” Leben, das tiefe Spuren in ihnen hinterlassen hat, alt geworden sind, und nicht mehr lange zu leben haben werden.

 

Oder die “Wurzelstücke”, mit deren Verästelungen Claudia Eckstein Geschichten von einer ganz eigenen, uralten Welt erzählt, die wie Tierskelette wirken, und die ja eigentlich nur die Überreste längst gestorbener Bäume sind.

 

Vielleicht ist es das, was uns bei diesen Bildern anspricht, was ihnen eine Art von Seele verleiht: Bäume werden zwar viel älter als die Menschen, aber auch sie sind der Vergänglichkeit unterworfen, wie alles Organische folgen sie dem Zyklus von Wachsen und Vergehen.

 

Claudia Eckstein ist der Überzeugung, dass sie nur malen könne, was sie innerlich berührt. Ich glaube, es ist die Aufgabe der Kunst, diese innere Berührung weiter zu tragen. Versenken Sie sich in diese Bilder, folgen Sie den Spuren der Farben, den reliefartigen Strukturen des Farbauftrags, lassen Sie sich von diesen Bäumen innerlich berühren.

 

Wer diese Bilder gesehen hat, betrachtet Bäume mit anderen Augen!

 

Detlev Sieber, Schlangenbad, im Mai 2000

 

 

Katalogtext - Bilder von Bäumen

Nach jahrelanger Beschäftigung mit „Hühner – Metamorphosen“ , deren Auffassung immer figurativ - im weitesten Sinne - war , nun die Baumgemälde ; (ausgelöst durch eine Reise in die Toskana; die dortige Begegnung mit Olivenbäumen anthropomorpher Natur war ein entscheidendes Erlebnis). Wieder zu Hause im Atelier, zuerst einmal ein Ordnen und Sichten der mitgebrachten Skizzen und halbfertigen Bilder . Was hat mich so daran gefesselt? Zunächst einmal das Interesse an der Figur im allgemeinen; ein neues ( ? ) Thema ist zu erkennen, das plötzlich eine Dimension annimmt, die gleichzeitig das Ende des vorherigen Zyklus markiert. Plötzlich sehe ich meine Umwelt, Bäume im  Wald, besonders auch die Bäume in meiner näheren Umgebung mit anderen Augen ; und tatsächlich geht es nicht nur mir selbst so, auch andere Betrachter lassen sich mittels der Baumgemälde davon anstecken .

 

Bäume und kein Ende........ ein scheinbar grenzenloses Thema, nahezu  alles ist möglich. Innerhalb des Zyklus arbeite ich immer auch in kleineren, in sich geschlossenen Zyklen gleichen Formates. Immer mehr und immer tiefer tauche ich ein in diesen rätselhaften Mikrokosmos von bizarren Auswüchsen, Verästelungen und Verknorpelungen........... eine Welt die ihre eigenen Gesetze lebt, unergründbar und geheimnisvoll......... kein Baum gleicht dem anderen ; jeder Baum ein Individuum; besonders die älteren, verwachsenen Exemplare, denen anfangs mein alleiniges Interesse gilt. Das Laubwerk hingegen interessiert mich nie, denn es hat für mich keine Individualität, ist nur schmückendes Beiwerk. Auch gibt es keinen einzigen  „ganzen Baum“, immer nur Ausschnitte, die manchmal den Eindruck erwecken, als wollten sie mit Gewalt das Bildformat sprengen und darüber hinauswachsen, ihr Eigenleben weiter entfalten........ wild und ungestüm. Die Malerei gibt dabei die Oberflächenstruktur der Bäume fühlbar wieder (tastete ein Blinder darüber, ohne zu wissen was es sei, so könnte er die reliefartigen Strukturen tatsächlich für Rinde halten).

 

Ich versuche,  nach und nach, durch intensives Zeichnen und Studieren, ein gewisses Formenrepertoire der Natur zu verinnerlichen, zu verstehen, und in einen mir gemäßen, eigenen Rhythmus zu übersetzen........ annähern, um mich dann umso weiter entfernen zu können.

 

Dies führte mich dann auch zu den „ Baumstelen“, die einzig aus meiner inneren Anschauung, ohne Vorbilder in der Natur, entstanden sind. Ein völlig freies Arbeiten, das ohne die Vorarbeit, das genaue  Studieren, aber nicht möglich gewesen wäre. In diesem Zusammenhang ist sehr interessant, dass ich, als ich nach einem Titel suchte, spontan an Stele dachte; aber einzig an die äußere Form, eine freistehende Platte mit reliefhafter Inschrift  (durch die Sandhintergründe trifft dies zu); umso erstaunter war ich, als ich, um mich zu vergewissern, noch eine zweite Bedeutung entdeckte, nämlich einen Begriff aus der Botanik „ Stele“: Leitbündelstrang des Pflanzensprosses, Zentralzylinder der Pflanze.

 

Es ist so, als wollte dieses Wort von mir gefunden werden, und nicht umgekehrt. So trifft denn die „Stele“ in doppelter Hinsicht auf die Gemälde zu. Durch den Sandhintergrund werden die haptischen Eigenschaften der Bäume noch verstärkt. Die Hintergründe entfalten dabei eine eher atmosphärische Wirkung........ Ton in Ton mit den Porträtierten gehalten, nehmen sie sich auf vornehme Weise zurück, und bilden den Rahmen vor dem die Baumwesen ihre Würde und Präsenz voll entfalten können. Es entsteht eine völlig andere Gesamtwirkung im Gegensatz zu den gänzlich pastos in Öl gemalten Bildern; Die Hintergründe sind nahezu gleichstark, die Baumwesen schälen sich, organisch gewachsen, aus ihnen heraus. Allen gemeinsam ist jedoch die veränderte Gesamtwirkung, je nach Lichteinfall, ob Kunst-, Tages- oder Kerzenlicht. Diese extremen Veränderungen begeistern mich immer wieder aufs Neue.

 

Verweilen die Betrachter längere Zeit vor den Bildern, und lassen ihre Augen auf Entdeckungsreise gehen, folgen den Schrunden und Spuren verdickter Farbe, so entfaltet sich nahezu in jedem Bild ein eigener kleiner Mikrokosmos, eine kleine Welt, vibrierend vor Bewegung und Kraft, dynamisch und doch wieder Ruhe ausstrahlend, ein Wechsel von Hell zu Dunkel, ruhig und lebendig zugleich, heiter und schwermütig.

 

Zwar gibt es Ähnlichkeiten, Verwandtschaften untereinander, doch gleicht kein einziger Baum dem anderen. Alle tragen die Spuren gelebter Zeit. Zeit und äußere Faktoren, wie z.B. Umwelteinflüsse haben ihre Spuren hinterlassen, haben sich tief eingegraben in die Rinde. Wunden, Verletzungen, Vernarbungen........ wachsen und wieder vergehen........ dem Verfall anheim gegeben. Auch ihr Dasein ist zeitlich begrenzt, kein Baum lebt ewig, obwohl die Dauer ungleich länger ist als ein Menschenleben, werden auch sie irgendwann wieder in den Kreislauf der Natur übergehen, der Erde zurückgegeben als Humus, der Erde, der sie ureinst entsprangen. Aber gerade bei den besonders alten und mächtigen Exemplaren empfindet man die Berührung mit uralter Zeit....... lange schon vor uns waren sie da....... ihre Rinden erzählen Geschichten, die aber dennoch immer ihr Geheimnis bleiben werden. Vergänglichkeit, Schönheit im Verfall, eine ganz eigene, besondere Schönheit....... schon immer hat mich das tief berührt. Aber gerade mit Bäumen hatten die Menschen schon zu allen Zeiten eine besondere Verbindung. Viele Mythen und Legenden ranken sich darum. Bei den alten Germanen die Weltesche Yggdrasil, bei den Ölbäumen der Fruchtbarkeitsmythos oder z.B. ein gepflanzter Baum als Symbol für die Geburt eines Menschenkindes....... die Aufzählungen sind endlos.

 

Dennoch, es gibt nicht den „einen Baum“ ..... Bäume sind vielmehr abstrakte Skulpturen, die dadurch die Freiheit zur Erfindung nahe legen. So bewege ich mich auch in meiner Malerei immer in einem Zwischenreich – nicht gänzlich abstrakt und auch nicht vollkommen real. Eine Malerei völlig ohne Sujet, ohne Gegenstand ist für mich auch niemals interessant..... die Imagination braucht einen Ausgangspunkt. Die Bäume gelangen durch die Malerei zu einem neuen, andersartigen Dasein, gleichwohl aber würdevoll und einzigartig, wie ihre Vorbilder in der Natur. Ein Denkmal für die Ewigkeit? Denn tatsächlich sind einige der Porträtierten schon von Menschenhand gefällt, und nur noch ein übrig gebliebener Stumpf weckt wehmütige Erinnerungen an diese einst so ausdrucksvollen Baumwesen. So bleibt am Ende doch von Einigen „nur“ ein Gemälde, wie von den Menschen längst vergangener Epochen.

 

Claudia Eckstein-Strehlow, Bischofsheim, April 2000

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© Manfred Strehlow letzte Änderung 24.03.2024